Timos Weg: Vom Rückfall zur neuen Hoffnung in der Tagesstätte Oldenburg

Die Tagesstätte Oldenburg gibt es im Frühjahr 2024 seit zweieinhalb Jahren. Schon? Erst? Die Zeit ist für alle hier schnell vergangen, und das Angebot ist so beliebt, dass man sich fragt, wie es gehen konnte ohne diese Tagesstätte, die so viele Verbindungen in verschiedene Richtungen schafft.

Das Ebnen von Wegen geht Hand in Hand. “Es gibt die Drogenberatungsstellen in Oldenburg, und es gibt das Betreute Wohnen als Einrichtungen, in denen die Menschen leben. Ich glaube, wir sind ein gutes Zwischending – was von Vorteil ist für Menschen, die aus der Klinik kommen und eine ambulante Therapie anstreben. Die machen bei uns einen Zwischenschritt.” So beschreibt die stellvertretende Einrichtungsleiterin Zeinab Sultan eine der Türen, die die Einrichtung öffnet. Auf dem Weg von der Entgiftung zur ambulanten Therapie lernen die Teilnehmer: innen in der Tagesstätte Oldenburg 20 Stunden in der Woche, sich wieder an eine Tagesstruktur zu gewöhnen und den Alltag zu bewältigen. In der Tagesstätte werden sie fit für das selbstständige Leben.

“Andere, wie Timo, kommen aus dem Betreuten Wohnen. Diese Menschen gehen dann zurück in ihr alltägliches Leben, mieten wieder eine eigene Wohnung an, brauchen aber noch diese Tagesstruktur. Das können wir leisten, da können wir eine Brücke bauen.”

Dass dieses Brückenbauen gelingt, liegt auch an der Vielfalt der Angebote; sie ist eine große Stärke der Tagesstätte Oldenburg. Eine zentrale Rolle spielt die Soziale Arbeit in Einzel- und Gruppengesprächen und – hier setzt Zeinab ein Ausrufezeichen – die Rückfallprophylaxe. In den psychoedukativen Gruppen lernen die Teilnehmer:innen, sich selbst und die anderen besser zu verstehen, sich Handwerkszeug für den Umgang mit Problemen anzueignen. Und auch die Mitarbeiter:innen selbst sehen sich in der Pflicht, aufmerksam zu sein: “Es gehört dazu, dass wir darauf eingehen, was die Menschen überhaupt bewegt, wie das Zusammenleben ist.”

Die eigenen Fertigkeiten finden
Die Tagesstätte Oldenburg bietet sehr unterschiedliche Beschäftigungsmöglichkeiten. Es gibt einen Fitnessbereich, eine Kreativwerkstatt, eine Holz- und Metallwerkstatt, die mit der Ergotherapie verbunden ist, eine Zukunftswerkstatt, in der Musikinstrumente stehen. “Aktuell malen ganz viele, aber wir haben auch Hochbeete gebaut.” Für Zeinab ist diese Vielfalt essentiell: “Es geht darum, dass man einfach auch mal wieder schauen kann: Was sind eigentlich Dinge, die mir Spaß machen? Was habe ich gern gemacht, oder wo will ich mich ausprobieren? In einem Rahmen ohne Druck herausfinden, wo eigentlich meine Fertigkeiten sind. Dafür sind wir der Ort.” Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Lernwerkstatt, in der die Teilnehmer:innen dabei unterstützt werden, ihren Haupt- oder Realschulabschluss nachzuholen.

Und dann ist da noch der Bereich Küche – unverzichtbar bei der Vorbereitung auf ein ganz und gar selbstständiges Leben. “Wie kann ich mit wenig Geld einkaufen gehen, mich gesund ernähren oder auch unterschiedliche Sachen kochen. Dieses Wissen kann man gut ins häusliche Umfeld integrieren.”

Eine gewisse Souveränität im Umgang mit Behörden und potenziellen Arbeitgebern wird ebenfalls vermittelt. Ebenso das Verständnis, wie vorteilhaft es ist, die Initiative zu ergreifen, oder um Unterstützung zu bitten, wenn man sie braucht.

“Die Leute lernen hier, selber zu sagen: Kann ich mal den Computerraum benutzen? Ich muss ein Schreiben aufsetzen für ein Amt. Kann da mal bitte jemand mit drübergucken? Solche Fertigkeiten meine ich, das scheint so leicht und ist so wichtig: manchmal einfach nur jemanden mit drübergucken lassen.” Die Zusammenarbeit innerhalb der Paritätischen Suchthilfe Niedersachsen läuft gut, findet Zeinab. Sehr eng ist sie zum Beispiel mit den Mitarbeiter:innen der Assistenz beim Wohnen. “Wir haben viele Teilnehmer:innen, die in der Assistenz beim Wohnen sind und auch bei uns in der Tagesstätte. Das funktioniert super, da können wir unter den Kolleg:innen miteinander sprechen, können sagen: Das haben wir mit den Teilnehmer:innen der Tagesstätte gemacht, und da braucht es zu Hause noch Unterstützung.”

Eine andere enge Verbindung ist die zur Drogenberatung Rose 12. “Da tauchen Menschen auf und sagen: Ich hab‘ schon ‘ne Langzeittherapie durch, komm‘ zwar noch nicht wieder ins Arbeitsleben, brauche aber Beschäftigung. Die Beratungsstelle schickt sie dann zu uns, das geht alles Hand in Hand hier.” Timo kam, wie von Zeinab erwähnt, aus einer stationären Einrichtung in die Tagesstätte Oldenburg. Genauer aus dem Haus Kayhauserfeld, das er meist liebevoll Kayhausen nennt. Sein Weg nach Oldenburg war lang.

Was bisher geschah
Als Timo 23 Jahre alt war, starben innerhalb von zwei Wochen sein Vater und sein bester Freund. Der hatte vorübergehend bei ihm gewohnt, und als Timo nach seinem Tod die Sachen des Freundes durchging, fand er einen Beutel mit Heroin. Mit 24 war er “voll drauf”, wie er selbst sagt. Seine Freundin verließ ihn, und er zog nach Delmenhorst, wo seine Mutter wohnte.

Seine erste Therapie machte er dann auch vor allem ihr zuliebe. Er wurde schnell rückfällig. Es folgten drei weitere Therapien und zwei Rückfälle. Beim insgesamt vierten Versuch jedoch war Timo hoch motiviert, weil er wusste, er würde sein Bein verlieren, wenn er beim Heroin blieb. Nach der Therapie machte er seinen Meister als Friseur, studierte Betriebswirtschaft, arbeitete wieder Vollzeit. Wegen der starken Schmerzen im Bein bekam er das Schmerzmittel Tilidin, ein synthetisches Opioid – über das er nach zehn Jahren Abstinenz wieder beim Heroin landete.

Nach der letzten Therapie entschloss er sich, für eine Zeit im Haus Kayhauserfeld zu wohnen. Er hatte früher in der Einrichtung eine Therapie gemacht, kannte noch viele Mitarbeiter:innen dort und schätzte sie. Dort konnte er sich sammeln und festigen, bis er wieder bereit für einen Neuanfang war.

“Ich dachte: Jetzt würde ich gern nochmal versuchen, mein Leben selbst hinzukriegen. Zu dem Zeitpunkt hat dann gerade die Tagesstätte eröffnet. Ich wollte nach Kayhausen nicht ganz alleine sein, und ich weiß, die Krankheit ganz zu vergessen, ist nicht gut. Ich wollte einen Ort haben, wo man hingehen kann. Und genau hierher wollte ich auch, weil Harald da war, Vortmann. Und so bin ich in die Tagesstätte gewechselt. Einfach um das, was ich mir in Kayhausen angeeignet habe, ein bisschen zu vertiefen. Und um nicht alleine zu sein morgens, an den Tagen, an denen ich nicht arbeite, um Leute zu haben, mit denen ich schnacken kann, mit denen ich Kaffee trinken kann, denen ich sagen kann, wie es mir geht, und die sich wirklich dafür interessieren.”

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